09.07.01

NILS, wir werden Dich nie vergessen

Der 09.07.01, ein Tag den niemand von uns je vergessen wird, ein Tag den jeder am liebsten gestrichen hätte, ein Tag den es eigentlich nie hätte geben dürfen.

Der Tag an dem wir erfahren mußten das unser Freund Nils Müller tragisch gestorben ist.

Keine Worte können wiedergeben was wir fühlen.

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Der dicke Mann ist nicht mehr da

So, oder so ähnlich, würden Kinder es wohl beschreiben was für uns bedeutet Nils ist tot.
Nils war St. Pauli Skinhead und seit einigen Monaten über eine ABM – Maßnahme beim Verein als Platzwart angestellt. Mit diesem Job ist für Nils ein Traum in Erfüllung gegangen.

Er starb 25 – jährig ebenso tragisch wie spektakulär. In der Nacht zum Montag den 9.7.01 stürzte Nils vom Flutlichtmast am Millerntor 30 Meter in die Tiefe.
Eine Woche später, am darauffolgenden Samstag, war seine Beerdigung in der Nähe von Gosslar, in Nils Geburtsort.
Es machte sich aus Hamburg, Kiel; Lübeck und Berlin ein Tross von ca. 120 Leuten auf um Nils die letzte Ehre zu geben.
An dieser Stelle schon mal ein ganz fettes Danke an den Verein, Brigitte, Jolly Roger und an alle die uns in diesen Tagen zur Seite standen.

Nils war vielen Gästen des "Letzten Pfennigs" und des "Jolly Roger" als König der Spaßmacher bekannt. Er konnte, um genau zu sein, selten an sich halten wenn es darum ging blankzuziehen. Da hatte er schon nach kurzer Zeit den Ausziehrekord eines gewissen RD um Längen geschlagen.
Sein HOLSTEN – Tattoo über den dicken Bauch kannten allerdings auch die Besucher der Dock`s Partys ganz gut. Doch genug davon.

Er war vor allem ein Kumpel und der Gedanke das dieser liebenswerte, große, tapsige Bär uns nie wieder halb zerquetschen wird, bei dem Versuch uns in den Arm zu nehmen, schmerzt heute, mehr als eine Woche danach, schlimmer denn je.
Nie wieder falsch und laut gesungene Arbeiterlieder im Bus, nie wieder Arschpolonaise ins Seagul, und an wem soll Banko jetzt rumspielen?

Die Lücke, die dieser Hüne hinterläßt kann keiner stopfen, wir müssen jetzt immer für einen mehr schreien, saufen, prollen und wie schon erwähnt Arbeiterlieder singen.

Es erfüllt mich aber mit Freude wieviel Zusammenhalt in der "Szene" zu spüren war, jeder war für den anderen da, jeder hat für Kränze/Todesanzeige usw. gespendet. Das war ein schönes Gefühl und für jeden von uns sehr wichtig und vor allem hätte es Nils gefallen.

Chrischan, Fc St. Pauli Skinheads

Unser Freund und Kollege Nils Müller verstarb in den frühen Morgenstunden des 09. Juli. Dies ist der Versuch, dem Menschen Nils Müller rückblickend gerecht zu werden. In der Form, die mir adäquat erschien.

Lieber Nils, ich weiß weder, ob Du dies jetzt hier lesen kannst, noch ob Du mitbekommen hast, was in den letzten Tagen passiert ist. Aber eins weiß ich genau, nämlich dass Du eine Riesenlücke hinterlassen hast: In der Szene, am Tresen im Jolly und beim FC. Aber vor allem in unseren Herzen.
Ich erinnere gar nicht mehr so genau, wie wir uns kennengelernt haben. Auf einmal warst Du da. Von weit weg kommend gelandet auf St.Pauli, wie so viele von uns. Dann sah man sich immer öfter – auf Konzerten, beim Fussball, in der Kneipe. Und je näher wir uns kamen, desto deutlicher wurde mir, wie verschieden Du sein konntest. Auf der einen Seite gab es den ruhigen, nachdenklichen Nils, der sich über so manches den Kopf zerbrach. Auf der anderen Seite gab es den feiernden Nils. Und gefeiert hast Du, meine Fresse. Oft bis an die Grenze gehend, manchmal leicht darüber hinaus. Aber das warst eben Du.
Beim Renovieren des Jolly Roger ist mir Deine Zuverlässigkeit und Dein handwerkliches Geschick aufgefallen. Immer da gewesen und malocht wie ein Tier. Die logische Konsequenz war das Job-Angebot beim FC. Wir waren glücklich, dass wir Dich bei Deiner bisherigen Arbeitsstelle "abwerben" konnten, denn unsere geliebte Bruchbude Millerntor braucht so einen Allround-Handwerker wie Dich. Vieles, was in der kommenden Saison an Verbesserungen sichtbar sein wird, ist mit Dein Werk. Du und der Trecker, der sich nicht von jedem fahren lässt, Ihr wart schon ein gutes Gespann geworden.
Diese Geradlinigkeit wurde auch an anderen Punkten deutlich. Sich als Skinhead gegen Nazis zu engagieren ist für die breite Öffentlichkeit vielleicht nicht einleuchtend aber für uns natürlich eine Selbstverständlichkeit. Sich allerdings dabei nicht vor anderer Leute Karren spannen zu lassen erfordert schon eher Rückgrat und einen klaren Kopf. Den hattest Du. Unvergessen, wie Du mich grinsend fragtest, ob Du nicht mal für 5 min Ordner sein könntest, als die Hannoveraner beim letzten Heimspiel in ihrem Block rumrandalierten. Gegen den Strom schwimmen viele. Dabei nicht abgetrieben zu werden, das erfordert Kraft. Diese Kraft hat Dir leider zum Schluß ein wenig gefehlt. Und deshalb fehlst Du uns jetzt, ganz gewaltig. Wie sehr, wurde uns am Tag der Beerdigung erneut klar. Als wir es am Abend auf Dich noch mal so richtig krachen ließen und endlose "Weißt Du noch...?"-Geschichten erzählt wurden. Wer soll jetzt die Oberkörper-frei-Polonaise ins Seagull anführen? Wer bringt 3 Stunden ohne Pause die Ernst Busch Klassiker am Busmikrofon? (Wobei, solltest Du dies da oben tun, wessen ich mir sicher bin, dann: Sing it loud – sing it proud!)
Nils, Dein Verlust hat uns alle sehr getroffen und erschüttert. Aber dennoch hat die Zeit danach zwei positive Effekte gehabt, die auch Dir gefallen hätten. Zum Einen sind wir alle sensibler gegenüber den Medien geworden. Was da ablief, war schlichtweg zum Kotzen und hat uns nachdenklicher werden lassen. Zum Anderen haben wir uns in der Trauer selbst besser kennengelernt und das Unglück, der Schmerz, hat uns zusammengeschweißt wie nie zuvor. Together we are what we can´t be alone.
In diesem Sinne: Hau rein, Digger, wir sehen uns!
Sven Brux
- FC St. Pauli -