Reenald, mach kein Quatsch!

Dezember 2000

Unter der Überschrift "Der Schulterschluss" offenbarte das Hamburger Abendblatt Erstaunliches: Der FC St. Pauli und der hsv planen eine Kooperation. Ziel ist es, Hamburger Talente in der Hansestadt zu halten und für ein besseres Verhältnis der rivalisierenden Clubs zu sorgen.

Für mich ist das ein glatter Griff ins Klo. Zum Glück hat Demuth schon seine realistische Einschätzung bekannt gegeben: "Wenn es überhaupt zu einer Umsetzung kommt, dann ist der kleinere Verein dabei meist auf der Strecke geblieben. Und wir sind so ein kleinerer Verein. Jeder Club ist doch bemüht, seine besten Spieler zu halten." Pagelsdorfs Aussage, "die Fälle von Andy Brehme und Stefan Effenberg als warnendes Beispiel" zu nehmen, ist lächerlich. Als ob die beiden Hamburg nicht verlassen hätten, wenn es damals diese obskure Kooperation gegeben hätte. Und wenn Kochs Annahme stimmen würde, dass die Spieler "in ihrem gewohnten Umfeld bleiben" wollen, dann hätten sie ja sicher nicht sonst wohin gewechselt. Und selbst bei Supertalenten, die bereits bei einem der beiden Hamburger Proficlubs kicken, ist das noch lange kein Garant, sie in der Hansestadt halten zu können. Demuth dazu: "Wenn ein Spieler uns verlässt und kein Interesse hat, zum hsv zu gehen, sondern dahin, wo er das meiste Geld verdient, dann können wir auch nichts daran ändern."

Von einem gegenseitigen Austausch der Spieler ist Demuth ebenfalls wenig begeistert: "Ich halte ohnehin nichts von Koppelgeschäften". Kein Wunder, denn St. Pauli hätte das Nachsehen. Eine Zusammenarbeit scheiterte ja bereits im Jugendbereich, als 1998 der hsv dem FC verschiedene Jugendspieler abwarb.

Wie kommen Herr Koch und Herr Hieronymus eigentlich zu der fragwürdigen Annahme, alle hsv- und St.-Pauli-Fans hätten ein großes Interesse daran, dass Hamburger Talente unbedingt in Hamburg spielen sollen. Abgesehen davon, dass Sympathie nicht immer durch die Herkunft der Spieler bestimmt wird, glaube ich, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Da es eine starke Rivalität zwischen den beiden Hamburger Clubs gibt, und sowohl die einen als auch die anderen Supporter sicher 100 andere Vereine nennen können, die in der Beliebtheits-Skala höher angesiedelt sind als der Lokalkontrahent, waren und sind Wechsel zu Club xy wesentlich unproblematischer, was man ja in den Fällen Reinke, Wehlmann oder Hollerbach sehen konnte. Und dort liegt eine wirkliche Gemeinsamkeit beider Lager...

Genauso naiv wie die Annahme, dass ein ständiger Spieleraustausch Einfluss auf das Verhältnis beider Fanszenen zueinander hat, ist der Glaube, dass ein gutes Verhältnis zwischen den Präsidien dies automatisch erreichen würde. Die Hoffnung Kochs, "wenn zwei Staatchefs Frieden schließen, gilt dies auch für die Völker. Sollten nun zwischen den beiden Führungsgremien stimmen (?), könnte dieser Funke auch zu den Fans überspringen", geht an der Realität vorbei. Die Fans beider Vereine beschreiten längst eigene Wege. Die Entfremdung zwischen Spielern/Vorstand und Fans ist dazu viel zu weit fortgeschritten, die Supporter haben sich damit abgefunden, dass es im Profifußball nur noch um Kohle geht, so dass die Identifikation mit Spielern, Managern oder Vereinsbossen kaum mehr gegeben ist. Durch solche illusorischen Planspielereien verursachte Diskussionen verschärfen eher den "Umgang" miteinander. Alleine diese Worthülse "Umgang" - kann mir bitte mal jemand erklärten, was eigentlich damit gemeint ist?

Demuths Aussage kann ich nur unterstützen: "Wir brauchen kein Schlagwort Kooperation. Wichtig ist, das wir fair und ordentlich miteinander umgehen, nicht hinter dem Rücken der Verantwortlichen, sondern offiziell an den Verein herantreten, wenn ein Spieler des Nachbarclubs verpflichtet werden soll." Kann doch nicht so schwer sein, oder? Und wenn unsere Herren Vereinsvorstände so ein großes Interesse daran haben, dass Hamburger Talente auch in Hamburg bleiben und nicht sonst wohin wechseln, dann sollen sie mal vernünftige Scouts und Trainer engagieren, damit solche Leute wie Otto Addo nicht wieder einfach "übersehen" werden. Und dafür ist keine Kooperation notwendig...

McDuncan

Spieler kommen, Spieler gehen - nur St.Pauli bleibt bestehen!

Dezember 2000

Gäbe es das St.Pauli-Fanzine UNHALTBAR noch, würde sicher wieder deren Lieblings-Floskel "Déjà vu" fallen. Warum auch nicht - gerade beim Fußball scheinen sich Ereignisse immer wieder zu wiederholen und den Fans kommt es vor, als habe man das schon einmal erlebt.

Das betrifft vor allem die alljährlichen Transfer-Spekulationen. Diesmal sind es mindestens zwei talentierte Spieler, deren Ziel es ist, zu einem Bundesligaverein zu wechseln. Völlig in Ordnung - nur ein gewisses Maß an Ehrlichkeit statt Heuchelei täte allen gut. Ich möchte einmal einen Spieler sagen hören: "Ich wechsle, da ich dort das Doppelte verdienen kann." Da wird von sportlichen Perspektiven gefaselt. Welche sportliche Perspektive hat denn Carsten Wehlmann? Also, Jungs: In die Nationalmannschaft, egal ob DFB oder Kroatien, kommt man nur als Stammspieler. Ihr habt die großartige Chance, als Stammspieler und Stars mit St.Pauli in der ersten Liga für Furore zu sorgen, statt ein kümmerliches (aber gut bezahltes) Dasein auf der Ersatzbank von Leverkusen oder Nürnberg zu fristen. Und was das Finanzielle angeht: Auch beim FC St.Pauli könnt Ihr so viel Geld verdienen, dass es bis ans Lebensende reicht. Ihr wollt doch Fußball spielen? Dann spielt! Ihr wollt eine sportliche Herausforderung? Dann nehmt sie an!

St.Pauli wird neue Talente ausbilden, die das Publikum am Millerntor begeistern. Ihr werdet dann längst vergessen sein und vielleicht irgendwann reumütig wieder zurückkehren, wie André Trulsen oder Thomas Meggle.

Aber Ihr müsst es ja selbst wissen, es ist euer Leben (und nicht das eurer Spieleberater, die eh nur auf die Provision schielen). Ihr habt die Wahl, also macht was draus!  

egt

Noch eine Meinung dazu:

10 gute Gründe für die 1. Liga

Dezember 2000

Beim persönlichen Abwägen des Pro und Contra gewinnt für mich eindeutig die 1. Liga. Sicher, die 2. Liga ist durch den starken Durchlauf an Vereinen recht abwechslungsreich und der Sitzplatz-Kommerzwahn hat hier noch nicht so stark Fuß gefasst. Auch laufen wir nicht Gefahr, ins Stadion neben der Müllverbrennungsanlage auslagern zu müssen. Doch die entscheidenden Argumente sprechen m.E. ganz eindeutig für das Fußball-Oberhaus.

Warum?

  1. In der 2. Liga lautet das sportliche Ziel doch eindeutig Aufstieg - oder versucht man etwa nicht, alle Spiele zu gewinnen? Wenn man aber gar nicht aufsteigen will, wie kann man sich da über Siege freuen? Nein, das Streben nach sportlichem Erfolg ist die Existenzgrundlage aller Fußballvereine.
  2. Die doch recht verbreitete Meinung, dass bei weniger Zuschauern die Stimmung automatisch besser ist als bei voller Hütte, hielt ich schon immer für eine recht gewagte These, an die insbesondere die Hardcore-Fans, die zu wirklich jedem Spiel gehen, gerne glauben. In der Regel ist doch aber nicht die Zuschauerzahl die Ursache einer guten Atmosphäre, sondern der Spielverlauf, die Bedeutung der Begegnung und die Brisanz des Gastvereins. Alle drei Faktoren optimiert, und das Stadion tobt sowohl bei 13.000 als auch bei 20.000 Zuschauern. Und in diesem Fall werden eher die "Langweiler" angesteckt als umgekehrt. Außerdem sieht ein volles Stadion einfach besser aus als ein halbvolles, und hohe Zuschauerzahlen sorgen zudem für ein respektables Image und einiges an Mehreinnahmen.
  3. Die Anzahl der ungeliebten Sonntagsspiele reduziert sich drastisch (und wenn, dann abends), und die verhassten Montagsdates fallen völlig weg. Stattdessen fahren wir bequem an Sonnabenden zu Auswärtsspielen und haben ab und zu sogar den großartigen Termin am Samstagabend. Das finde ich schon wesentlich fanfreundlicher.
  4. In der ersten Liga sind wir der absolute Underdog. Welche sportliche und stimmungstechnische Bedeutung das hat, kann sich ja jeder denken. Es ist eigentlich die Rolle, in der sich Verein und Fans am wohlsten fühlen.
  5. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft auch unter den Profivereinen immer weiter auseinander. Irgendwann verlieren wir völlig den Anschluss, wenn wir das Konzert der Großen nicht ab und zu aufmischen, denn...
  6. ... wir wollen ja irgendwann einmal unseren großen, ewigen Traum Realität werden lassen: Mit St. Pauli in den Eurocup! Our day will come!
  7. Im Gegensatz zu einem Abstieg von der 1. in die 2. Liga gleicht der Abstieg von der 2. Liga in die Drittklassigkeit eher einem Sturz in die Bedeutungslosigkeit. Wie lange gewisse Ex-Bundesligisten dort schon herumkrebsen und nicht wieder hochkommen, muss ich nicht aufzählen. Und dieser Gefahr begegnen wir am besten durch Aufstieg.
  8. Die Ausgaben werden zwar steigen, allerdings nur für den Spielerkader (die Reiskosten etc. werden ja ähnlich hoch sein), doch dem stehen ja ungleich höhere Einnahmen gegenüber, Schätzungen gehen von mindestens 20 Mio Mark aus. Damit könnte sich der Verein - weitere Sparsamkeit vorausgesetzt - mit einem Schlag gesundstoßen.
  9. Nicht zuletzt könnten die freigewordenen Gelder für den (schrittweisen) Stadionausbau verwendet werden, zumindest aber, um das Millerntor bundesligatauglich zu machen, was in der 2. Liga nur sehr schwer zu verwirklichen sein würde. Abgesehen davon schätze ich, dass sich öffentliche Gelder fürs Stadion eher in der 1. Liga loseisen lassen, schließlich sonnen sich die Politiker gerne in der Popularität medienpräsenter Vereine.
  10. Und nicht zuletzt: Wir sind doch alle St.Pauli-Fans, weil wir diesen Verein für etwas ganz besonderes halten. Dieser Verein hat es einfach verdient, im Rampenlicht zu stehen, statt im Niemandsland der 2. Liga zu dümpeln. Die öffentliche Berichterstattung läuft nun mal zu 80 % über die 1. Liga (im Ausland sogar 100 %), zu 15 % über die 2. Liga und zu vielleicht zu 5 % über alle anderen Ligen zusammen. St. Pauli ist Show, und Show braucht Publikum. Es kann ja wohl nicht angehen, dass der Club aus dem berühmtesten Stadtteil Deutschlands sein Licht untern Scheffel stellt...

In diesem Sinne würde ich mich über einen Aufstieg gnadenlos freuen - und gerade in dieser Saison wäre er der absolute Hammer. Doch warum diskutieren wir über ungelegte Eier, wo doch noch überhaupt nichts feststeht? Kann ich euch sagen: Weil dieses Thema immer wieder auftaucht und wahrscheinlich immer aktuell sein wird. Die gleiche Diskussion wurde nämlich (z.B. im SPLITTER) schon 94/95 geführt, und an meiner Meinung zu dieser Kiste hat sich nicht im geringsten etwas geändert.

Reinhold Arved

Will ich eigentlich aufsteigen?

Dezember 2000

Nie hätte ich gedacht, dass ich mich in dieser Saison mit so einer Frage beschäftigen muss: Gerade mal so eben den Abstieg verhindert, den niedrigsten Etat aller Vereine und insgesamt ziemlich trostlose Zukunftsaussichten ließen eigentlich eher eine Saison wie die letzte erwarten. Aber Pustekuchen! Dank der guten Arbeit von Beutel und Demuth, die mit wenig Geld die richtigen Leuten holten (und auch die richtigen wegschickten) und endlich wieder eine Mannschaft zusammenstellten. Zum ersten mal seit langer Zeit habe ich den Eindruck, dass die Spieler so richtig Spaß am Fußball und dem Verein haben. Das macht endlich mal wieder Spaß! Hinzu kommt endlich ein fähiger Präsident, der sich mit Versprechungen zurückhält und nichts ausgibt, was vorher nicht auch eingenommen wurde. Jetzt noch ein fähiger Aufsichtsrat, und der FC St. Pauli wäre tatsächlich auf dem Weg zu einem gut geführten Verein mit Konzept und Perspektive. Dass ich das noch erleben darf...

Nun stellt sich also so langsam die Aufstiegsfrage. Das ist zwar noch ein langer Weg, aber von Cottbus hat auch jeder gesagt, dass die noch einbrechen und was war? Nix war! (tss, das Cottbus mal mein Vorbild wird, hätte ich auch nicht zu träumen gewagt). Bringt das denn überhaupt was, in der Bundesliga zu spielen? Nun, die zweiten Liga hat so einige Vorteile: Die Eintrittskarten sind in der Regel recht günstig, es gibt noch richtige Stadien mit Stehplätzen, der ganze Kommerzdreck ist bei weitem nicht so ausgeprägt wie in der Bundesliga und alles ist etwas familiärer. Hinzu kommt, dass fast die halbe Liga jedes Jahr ausgetauscht wird, so dass neue Städte erkundet werden dürfen (Ahlen, Reutlingen, Saarbrücken) oder alte Bekannte wieder getroffen werden, die einen Hauch vom großen Fußball verbreiten (Gladbach, Nürnberg). Die diesjährigen Absteiger sind zwar stinkendlangweilig, aber insgesamt ist die zweite Liga schon ziemlich interessant. Hinzu kommt die besser gewordenen Stimmung in letzter Zeit, was vom Block 1 ausging, sich aber inzwischen aufs ganze Stadion auszubreiten beginnt. Das weitgehende Fehlen von Modefans trägt seinen Teil dazu bei. Lieber vor 14.000 enthusiastischen Menschen spielen als vor 20.000, bei denen die 5.000 Langweiler die anderen irgendwann anstecken. Was gibt´s für Nachteile? Vor allem natürlich die ewigen Reisen sonntags nach Stuttgart und Fürth, die stets langweilige Spiele vor langweiliger Kulisse in langweiligen Stadien versprechen. Der Vorteil von St. Pauli ist natürlich, dass es immer um was geht, entweder Auf- oder Abstieg, von daher wird die Saison nie langweilig, aber wenn in 2/3 aller Heimspiele sich gerade mal 50 Gästefans in der Südkurve verlaufen, dann wünsche ich mir manchmal doch mal wieder einen anständigen Gästesupport zum Gegenansingen. Die gewisse Eintönigkeit schlägt sich auch deutlich auf die Anzahl der Auswärtsmitfahrer nieder: In der Regel fahren so 2-300 Leute aus Hamburg mit, und wenn uns die Süd-, West- und Ostfans nicht retten würden, würden wir auswärts auch kein anderes Bild abgeben als so viele Vereine bei uns.

Gerade das Pokalspiel gegen Schalke hat mir deutlich vor Augen geführt, was Bundesliga bedeutet: Ein volles Stadion, einen Gegner, der richtig Fußball spielen kann und das so geliebte Underdog-Gefühl. Das vermisse ich denn doch, und deshalb sollen sich die Spieler mal schön anstrengen, damit zumindest 1-2 Jahre mal wieder großer Fußball am Millerntor einzieht. Tja, da ist das nächste Problem: Das Stadion. Wir dürften wohl fürs erste Jahr eine Ausnahmegenehmigung bekommen, aber dann muss was passieren, und danach sieht das ja im Moment immer noch nicht aus. Zudem habe ich auch überhaupt keinen Bock auf Spiele gegen Bayern, Dortmund etc. im Volkspark. Da hat Koch zwar deutliche Worte gefunden, aber wir wissen ja alle noch, was beim letzten Bundesliga-Gastspiel stattfand... Das würde mir zumindest doch ziemlich die Freude an dem Ganzen nehmen, und ich würde mir die Spiele dort auch nicht angucken.

Schön wäre es natürlich auch, endlich wieder regelmäßig sonnabends zu spielen, keinen Urlaub mehr zu nehmen und nicht mitten in der Nacht nach 8 Stunden Busfahrt aus dem letzten Winkel der Republik nach Hause zu kommen. Aber der ganze Unterhaltungskram (nervende Stadionsprecher, dröhnende Ekelmusik, klatschendes Tennispublikum) ist mir jetzt schon ein Graus, ganz zu schweigen von den Sitzplatzkarten für 50 DM in der hintersten Ecke des Stadions. Aber wieder alle 2 Wochen mit einem Sonderzug durch Deutschland zu fahren, Gästeblöcke von 5.000 Leuten bei den Auswärtsspielen und der Duft der großen weiten Welt - das ist nun wieder ziemlich verlockend. Ihr merkt schon, ich weiß nicht was ich will. Einigen wir uns also darauf, dass wir 1-2 Jahre in der Bundesliga mitspielen, einige begeisternde Spiele zeigen, bei Bayern und in Berlin gewinnen, Rostock und den hsv zweimal weghauen und ganz viel Spaß haben. Und nicht zu vergessen: keine Montagsspiele mehr!

tf